kleiner Überblick über meine eigene HRT
Selbstverordnete HRT
Dieses Wochenende habe ich mir meine ersten Ohrlöcher stechen lassen. Der Wunsch das zu machen brodelt schon sehr lange in mir. Aber ich habe mich bisher nicht getraut, mir welche machen zu lassen, weil ich Angst vor der Reaktion meiner Mitmenschen hatte. Da ich mich aber ehe entschlossen hatte, den Weg zur Transfrau ab jetzt offiziell zu gehen dachte ich mit, es wäre eine gute Gelegenheit, zu testen, wie meine Mitmenschen darauf reagieren, wenn ich mich verändere. Ich hab dann Laura geschrieben und sie meinte sofort, dass wir am Wochenende zu einem Juweliergeschäft gehen können und ich mir die dort stechen lassen kann.
Ich war total aufgeregt und hab mich richtig gefreut.
Am Samstag haben wir uns gegen 13:00 Uhr auf den Weg zum Juwelier gemacht. Dort angekommen, dachte ich mir so, du musst Stärke zeigen und bin vorweg gelaufen. Dabei hatte ich schon ein wenig Angst. OK ein wenig ist ein wenig untertrieben. Als ich in dem Laden drin war, bin ich sofort zum Tresen gelaufen und hab gesagt, dass ich mir Ohrlöcher stechen lassen will. Die Dame in dem Laden meinte nur, dass leider keiner mehr da sei, der sie mir stechen kann. Es war kurz nach eins und der Laden hat eigentlich bis zwei Uhr auf. Ich wusste in dem Moment nicht wirklich, wie ich darauf reagieren soll und bin erst mal wieder raus gelaufen. Zum Glück meinte Laura dann sofort, dass wir in das Pircingstudio gehen können, wo sie sich ihre Pricings stechen lassen hat. Wir also los gelaufen dahin und die hatten tatsächlich bis 16 Uhr auf. Ich wieder vor gelaufen und versucht total cool zu wirken. Beim reinlaufen sind mir sofort die beiden hübschen Mädchen aufgefallen, die hinter dem Tresen standen, ja ich mag auch hübsche Mädchen gucken, bllll und ich bin sofort noch ein Stück nervöser geworden. Trotzdem bin ich zu denen hin und hab gesagt, dass ich mir welche stechen lassen möchte. Ich muss ziemlich verunsichert rüber gekommen sein und trottelig. Das passiert mir immer, wenn ich nervös bin. Aber die Dame hinter dem Tresen hat sofort gesagt, dass ist überhaupt kein Problem und hat mir die Erststecker gezeigt, von denen ich mir welche aussuchen durfte. Ich wollte natürlich welche haben, die Total funkeln. Hab mich dann aber für welche entschieden, bei denen die Fassung etwas dunkler gehalten ist, um nicht gleich aufzufallen.
Das Stechen selber hat weniger weh getan als ich gedacht habe und war einfach nur toll. Jetzt hab ich endlich welche und bin total glücklich darüber.
Am Montag war es dann soweit, ich bin das erste Mal nach dem Stechen wieder auf Arbeit. Die erste Person, die es gemerkt hat war eine meiner Kolleginn. Ihr Reaktion war eher verhalten und sie hat nicht wirklich erzählt, was sie davon hält. Eine andere Kollegin, die mich noch drauf angesprochen hat, fand es sehr interessant. Die anderen haben gar nicht darauf reagiert.
Am nächsten Tag hat es dann auch mein Cheff gemerkt und meinte zu mir, dass die Zeit dafür ja wohl schon 30 Jahre vorbei ist. Ich hab gesagt, dass ist mir egal und war den Tag nicht sehr nett zu ihm.
Ein paar Tage später brauchte ich Hilfe beim Tragen für einen Kühlschrank und hab meinen Exfreund gefragt. Als wir im Auto saßen hat er gemerkt, dass ich mir welche stechen lassen habe. Er hat da drauf gehauen und meinte, was ist das denn, bist du ein Mädchen? Ich hab nur gesagt vielleicht. Er, auf der Schiene bist du jetzt? Ich hab nur gesagt, dass ist keine Schiene und hab es dabei belassen. Bis heute hat er kein Wort mehr darüber verloren.
Ich hoffe, ich werde noch viele schöne Erlebnisse haben, um diese Erfahrungen überdecken zu können. Leider hat es mir nicht wirklich die Angst genommen, mich vor Anderen zu outen.
Ich hab mir meine erste Kleidung bestellt die eindeutig Weiblich ist. Das erste mal an habe ich sie zum Einkaufen. Allerdings habe ich extra eine Jacke über das Oberteil gezogen, damit es nicht auffällt. Das fealing war toll. Hab aber die Ganze Zeit das Gefühl gehabt, alle starren mich an. Hatte die Sachen dann noch ein paar mal an. Aber immer so, dass es nicht wirklich auffällt. Alleine Traue ich mich nicht so richtig, ich hab Angst vor der Reaktion der anderen.
Über Ostern ist Laura zu Besuch und mit ihr zusammen traue ich mich das erste mal öffentlich mit den Sachen durch den Ort zu laufen. Das Gefühl ist einfach super, auch wenn ich bei jedem, an dem wir vorbei komme gucke, ob ich die Person kenne.
Für Ostersamstag hat sich meine große Schwester bei mir angekündigt und ich dachte mir so, dass wäre der perfekte Zeitpunkt für ein Outing, wusste aber nicht so recht, wie ich das anstellen soll.
Da Laura auch kommen wollte, musste ich ihr sowieso Bescheid sagen. Das habe ich als Aufhänger genommen, um selber Andeutungen darüber zu machen, dass es bei mir auch so sein könnte. Allerdings wollte ich ihr nicht alles über Textnachrichten erklären und hab ihr deshalb noch gesagt, dass ich ihr alles weitere erklären werde, wenn wir uns sehen. Sie meinte nur, jeder muss selber wissen, wie er leben möchte.
Diesen Samstag war es soweit. Gegen 12 Uhr klingelt meine Schwester an der Tür. Das erste was ihr aufgefallen ist, sind meine neuen Ohrstecker. Ihr Kommentar „Sieht ja gar nicht so schlecht aus“. Ich war total aufgeregt und wusste nicht wirklich, was ich darauf sagen sollte. Als sie bei mir oben war, habe ich ihr alles gebeichtet. Sie hat sehr skeptisch geguckt, es aber sofort akzeptiert. Meinte noch, dass sie sich das schon gedacht hat und deshalb nicht so überrascht ist und wollte mein Mädchenname wissen. Sie fand Lisa ein wenig langweilig und wollte mir sofort dabei helfen, einen neuen zu finden. Aber an dem Namen hängen für mich mittlerweile so viele toller Erinnerungen, dass ich diesen nicht wirklich wieder hergeben möchte. Beim Kochen hat sie sich des Themas dann noch mal angenommen und Vorschläge gemacht. Natürlich hat sich Laura auch gleich mit eingemischt. Ich fand das einerseits total toll, fand es aber auch peinlich, im Mittelpunkt zu stehen. Am Ende meinte sie nur noch, wie es wäre, einfach ein e vor den Namen Lisa zu setzen. Dabei haben wir es dann erst mal belassen. Danach hatten wir noch einen tollen Tag im Dorf und beim Osterfeuer. Abends musste meine Schwester leider wieder fahren. Beim fertig machen meinte sie noch so, dann darf ich dich ja auch mal schminken. Ich konnte mir das Lächeln nicht wirklich verkneifen.
Später hat Laura noch mal mit meinem Namen angefangen und hat ein bisschen was über die verschiedenen Aussprachen erzählt. Dabei fiel auch der Name Elice. Den fand ich total toll, wollte aber Lisa auf keinen Fall wieder hergeben. So ist mein Zweitname Elice entstanden.
Gerade sitz ich bei meiner Hausärztin im Wartezimmer und möchte ihr alles beichten. Eigentlich wollte ich schon letzte Woche zu ihr, nur hatte sie da Urlaub. Ich bin total aufgeregt und hab Angst vor ihrer Reaktion.
Ich hab mich ein bisschen weiblich angezogen. Die meisten scheinen es einfach zu ignorieren. Nur beim Aufruf von meinem Namen gucken mich einige etwas zu lange an, zumindest bilde ich mir das ein.
Als erstes befragt mich eine Arzthelferin. Ich erzähle ihr alles was noch so anliegt, trau mich aber nicht so richtig, mit der Sprache rauszurücken. Ich deute nur was an und sie meinte sofort, ich kann das auch nur mir der Ärztin besprechen.
Etwas später kommt die Ärztin dazu. Nachdem wir alle anderen Punkte abgearbeitet hatten, musste ich langsam mit der Sprache raus rücken. Ich hab ihr erzählt, dass ich transsexuell bin und seit einiger Zeit selber Hormone nehme. Sie meinte nur, dass sie keine Erfahrung damit hat, sich aber schlau machen möchte. Ansonsten war sie auch total lieb und meinte noch, alles was ich dort erzähle, bleibt auch dort. Dann wurde mir noch Blut für ein großes Blutbild abgenommen. Am Donnerstag sollen die Werte da sein. Ich bin total gespannt, wie die ausfallen.
Gestern bin ich mal wieder mit meinem Ex unterwegs gewesen. Da er sich die letzten Wochen Dinge geleistet hat, die gar nicht gehen, habe ich ihn abends darum gebeten, noch zu mir in die Wohnung zu kommen, damit wir noch kurz sprechen können. Ich habe ihn dann noch mal offiziell erzählt, dass ich Transsexuell bin und diesen Weg auch gehen werde. Danach hab ich ihn noch mit seinem Verhalten konfrontiert und ihm noch mal klar gemacht, dass es für mich keine Ebene mehr für eine Beziehung gibt. Hab ihn dann gefragt, ob er mit meiner Transsexualität klar kommt. Er meinte nur, dass mir klar sein sollte, dass wir in einem Ort leben. Ich habe die Antwort nicht so richtig nachvollziehen können. Er ist nicht mal im Ansatz in diesen Ort integriert und kennt deutlich weniger hier als ich. Es hat mir wieder gezeigt, dass es ihm immer nur um sich selber geht und ich ihm eigentlich völlig egal ist. Ich habe ihm die Frage dann noch mal gestellt und er meint nur schwierig. Dieses hin halten ist echt unschön und ich werde wohl, um mich selber zu schützen, alle Verbindungen zu ihm abbrechen müssen. Obwohl ich mich von ihm getrennt habe, fällt es mir schwer und tut auch weh. Ich hätte mir trotz allem von ihm mehr Unterstützung gewünscht, auch wenn das sicher eine naive Vorstellung ist. So gehen Menschen, die einem mal viel bedeutet haben.
Ich hatte heute aber auch ein schönes Erlebnis. Ich haben einen Freund in Miami, den ich über meinen ex kennengelernt habe. In letzter Zeit hab ich nur sehr wenig Kontakt zu ihm. Über Facebook hab ich erfahren, dass er zur Zeit im Krankenhaus liegt und hab ihn einfach mal gefragt, wie es ihm geht. Ihm geht es so weit ganz gut.
Hab ihm dann erzählt, dass ich transsexuell bin und ihm auch erzählt, wie mein ex damit um geht. Er meinte nur, dass es doch total cool ist. Hab ihm dann noch erzählt, dass es in der Firma, in der ich arbeite, momentan nicht gut aus sieht und ich auf der Suche nach einer neuen Stelle bin. Sein Kommentar, ich soll nach Miami kommen. Das Zeigt mir, es gibt auf dieser Erde auch Menschen, die sich für mich freuen und es toll finden, dass ich diese Weg gehe. Es macht mir wieder ein wenig Mut.
Diese Woche ist meine Mutter mit ihrem Mann zu Besuch. Durch einige Sachen, die in meiner Kindheit vorgefallen sind, habe ich nie so richtig Lust, sie zu sehen. Dieses Mal ist es besonders schlimm, weil in den letzten Wochen sehr viele meiner alten Erinnerungen wieder hoch kamen und dadurch der Hass und die Ängste zurück gekommen sind. Ich war kurz davor, dass Treffen abzusagen. War mir aber sicher, dass sie trotzdem gekommen wären.
Als wir uns am Montag gesehen haben, war ich sehr zurück haltend und distanziert. Ich hatte eine richtige Blockade überhaupt mit ihr über irgendwas zu sprechen und wollte ihr eigentlich auch gar nichts erzählen. Wir haben uns essen geholt, was gegessen und dann sind sie wieder gefahren.
Am Dienstag haben wir uns für 19 Uhr bei mir in der Wohnung verabredet. Ich hab für uns was gekocht und wir haben uns beim Essen ein wenig unterhalten. In dem Moment kam in mir die ganze Wut wieder hoch und ich hab ihr den ganzen Mist, der mir die Wochen schon durch den Kopf geht, an den Kopf geworfen. Hab gehofft, dass sie sich dadurch wenigstens schlecht fühlt und ihre eigenen Depressionen so richtig schön in Gang kommen. Direkt von der Transsexualität hab ich ihr nichts erzählt, aber anscheint so viele Andeutungen gemacht, dass sie selber darauf gekommen ist. An dem Abend haben wir uns darüber aber nicht mehr weiter unterhalten.
Am Mittwoch waren wir dann bei ihr in der Ferienwohnung verabredet. Da hat sie mich direkt auf die Transsexualität angesprochen. Ich war etwas überrascht und hab mich gefragt, wie sie darauf gekommen ist. Da ich mich aber nicht mehr verstecken will, hab ich einfach so getan, als hätte ich es ihr schon erzählt und ihre Fragen beantwortet.
Sie meinte, sie kann das akzeptieren. Deutet aber an, dass sie es nicht so richtig glauben kann und ich doch in Psychologische Behandlung gehen soll. Hab ihr erklärt, dass es ohne gar nicht geht, womit sie ein wenig beruhigt war.
Sie meinte dann noch, dass ich nicht anfangen soll, selber Hormone zu nehmen, da ich damit meinen Körper sehr schaden kann. Ich hab ihr nur gesagt, dass ich mir darüber voll im klaren bin. Sie muss ja nicht wissen, dass ich mittlerweile seit 11 Wochen welche nehme.
Heute am Sonntag sind sie wieder gefahren. Beim verabschieden meinte sie noch so, dass es ihr die Woche psychisch so gut ging, wie schon lange nicht mehr, trotz meiner Eröffnung. Was das in mir ausgelöst hat, könnt ihr euch selber denken.
Heute hat sich eine Arzthelferin meiner Hausärztin bei mir gemeldet und mir mitgeteilt, dass sie einen Kontakt zu einem Psychiater hätte und eine Überweisung für mich.
Ich freu mich total und fahre natürlich gleich an dem Tag noch dort hin, um die Überweisung und den Kontakt abzuhohlen.
Auf der Überweisung steht das erste mal Transsexualismus. Ein unbeschreibliches Gefühl. Einfach nur pures Glück.
Ich hab noch am gleichen Abend probiert, die Psychologische Praxis zu erreichen. Leider ohne Erfolg. Sie vergeben Termine nur an drei Tagen die Woche und das auch nur für wenige Stunden. So muss ich noch bis Mittwoch warten, bis ich eine Termin machen kann. Bin schon gespannt, wie lange ich warten muss.
Über eine Webseite habe ich erfahren, dass in einer größeren Statt bei mir in der Nähe eine Selbsthilfegruppe besteht. Also hab ich sie mal angeschrieben und gefragt, wann das nächste Treffen ist. Ich habe fast zwei Wochen keine Antwort bekommen und hatte die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben. Kurz vor dem nächsten Treffen bekam ich dann aber eine Email mit dem Termin und ein Paar Infos, die ich angefragt hatte.
Am Samstag habe ich mich dann zu dem Treffen auf gemacht. War schon sehr nervös und aufgeregt.
Es scheint nur eine sehr kleine Gruppe zu sein. Anwesend waren mit mir acht Personen. Das Treffen an sich war sehr unspektakulär und es gibt nicht viel darüber zu erzählen. Nach einer kleinen Vorstellungsrunde wurden fragen zum Auftritt auf dem CSD geklärt und danach konnten wir unsere Fragen stellen. Hab ein paar Namen für Gutachter und Psychologen bekommen und ein wenig Hintergrundwissen. Ob ich dort noch mal hin fahre, weiß ich im Moment noch nicht. Allerdings war es toll, sich mal mit anderen Betroffenen unterhalten zu können und deren Erfahrungen zu hören.